In unserer modernen Welt scheint es mehr Raum denn je zu geben, um über Männlichkeit, Beziehungen und Sexualität zu sprechen. Dennoch bleiben viele Männer oft noch in alten Glaubenssätzen gefangen, die sie unbewusst prägen. Diese Muster stecken tief in uns und beeinflussen, wie wir uns in Beziehungen bewegen und wie wir unsere Sexualität leben. Sie sind nicht mehr so starr und offensichtlich wie früher, aber auf subtile Weise lenken sie uns immer noch – selbst, wenn das äußere Bild schon viel freier und offener geworden ist.
Heute spüre ich bei vielen Männern den inneren Konflikt zwischen dem Wunsch, emotional und offen zu sein, und der alten Idee, der starke, verlässliche Mann zu sein, der immer alles im Griff hat. Wir stehen vor der Herausforderung, die neuen Erwartungen an uns zu erfüllen: wir sollen sensibel und einfühlsam sein, erfolgreich, lustvoll und gleichzeitig emotional stabil. Das ist verdammt viel. Und gerade im Bereich der Sexualität tauchen dabei immer wieder unausgesprochene Glaubenssätze auf, die Druck erzeugen, anstatt uns die Freiheit zu geben, einfach zu sein.
Ein Glaubenssatz, der sich oft tief in uns Männern eingenistet hat, lautet: „Als Mann musst du immer funktionieren.“ Es geht nicht nur um das Thema Sexualität, sondern vielmehr um das generelle Gefühl, dass wir immer bereit, leistungsfähig und souverän sein müssen – egal, wie wir uns gerade wirklich fühlen. Selbst wenn Frauen uns signalisieren, dass es okay ist, nicht immer Lust zu haben oder eine Pause zu brauchen, bleibt dieser innere Druck bestehen. Wir tragen die Vorstellung mit uns herum, dass unser Wert als Mann daran gemessen wird, wie sehr wir funktionieren können. Und das kann sich anfühlen wie eine Last, die uns kaum Raum zum Atmen lässt.
Es ist nicht immer die Erwartung von außen, die diesen Druck aufbaut – oft sind wir es selbst, die glauben, immer parat stehen zu müssen, immer abliefern zu müssen, weil wir sonst „versagen“. Doch dieser Gedanke trennt uns von unserem eigenen Empfinden. Was würde passieren, wenn wir uns selbst erlauben würden, einfach mal nicht zu funktionieren? Wenn wir darauf hören würden, was wir gerade brauchen, anstatt einem inneren Automatismus zu folgen? Es braucht Mut, diesem Glaubenssatz ins Gesicht zu schauen und zu sagen: „Ich muss nicht immer bereit sein. Ich darf auch einfach sein.“
Ähnlich verhält es sich mit der Vorstellung, dass wir in einer Beziehung immer die Kontrolle behalten müssen. Oft wächst in uns die Überzeugung heran, dass wir diejenigen sein sollen, die den Überblick haben, die Stärke zeigen und immer genau wissen, was zu tun ist. Doch was passiert, wenn wir uns an diese Kontrolle klammern? Wir sperren uns selbst ein, verschließen uns vor unseren echten Gefühlen, vor unserer Verletzlichkeit. Diese tiefe Angst, die Kontrolle zu verlieren, verhindert oft, dass wir uns wirklich fallen lassen – doch genau darin liegt die Chance auf echte Nähe.
Die Wahrheit ist: Wenn wir die Kontrolle loslassen, uns öffnen und unsere Schwächen zeigen, entsteht eine ganz neue Verbindung. Der Schlüssel zu echter Tiefe in Beziehungen liegt im Vertrauen – und im Mut, sich so zu zeigen, wie man wirklich ist.
„Wenn du mir in Achtsamkeit begegnest, schenkst du mir den Raum, in dem ich mich zeigen darf – so wie ich bin, ohne Eile, ohne Urteil. In diesem Moment fühle ich mich gesehen, gehört und tief berührt.“ Genau das ist es: In einem Raum der Achtsamkeit, in dem kein Zwang zur Kontrolle besteht, darf wahre Nähe entstehen. Es ist nicht die Kontrolle, die uns stark macht, sondern die Fähigkeit, uns selbst zu zeigen, ganz ohne Maske. Und das ist der Punkt, an dem wir echte Verbindung erleben – nicht durch Perfektion oder Stärke, sondern durch das, was uns menschlich macht.
Ein weiterer Glaubenssatz, der viele Männer immer wieder beschäftigt, ist die Vorstellung, dass unser Wert als Mann von unserer Leistung im Bett abhängt. Es geht dabei nicht nur um die Quantität, sondern um diese tieferliegende Erwartung, dass wir immer performen müssen. Dass wir abliefern sollen, dass wir nur dann als „echter Mann“ gelten, wenn wir jederzeit bereit sind und alles perfekt läuft. Und wenn es dann mal nicht so klappt, beginnt das Zweifeln: an sich selbst, am eigenen Körper, an der Beziehung. Dieser Glaubenssatz wird mir in Männergesprächen immer wieder berichtet – das Gefühl, nur durch Leistung in der Sexualität wertvoll zu sein.
Aber was, wenn Sexualität gar nichts mit Leistung zu tun hat? Was, wenn es nicht darum geht, Erwartungen zu erfüllen, sondern sich wirklich auf die Verbindung einzulassen? Sexualität sollte keine Bühne sein, auf der wir uns beweisen müssen. Es geht nicht darum, wie oft oder wie gut du performst, sondern darum, wirklich präsent zu sein und die Verbindung zu deinem Partner zu spüren. Denn echte Intimität entsteht nicht durch Leistung, sondern durch Achtsamkeit, durch das gemeinsame Erleben und die Nähe, die daraus erwächst.
Wenn du dich von der Vorstellung löst, dass es immer um Leistung geht, öffnest du den Raum für echte, tiefe Begegnungen. Diese Freiheit, nicht ständig abliefern zu müssen, ermöglicht es, authentisch zu sein – in deiner Sexualität, aber auch in der Art, wie du dich selbst und deine Beziehungen lebst. Es geht darum, die Last dieser ständigen Erwartung abzulegen und den Moment einfach zu erleben, ohne den Druck, perfekt sein zu müssen.
Gefühle sind ebenfalls ein großes Thema. Obwohl sich das Bild von Männlichkeit in den letzten Jahren gewandelt hat, tragen viele Männer immer noch die Vorstellung mit sich herum, dass Gefühle irrational sind und kontrolliert werden müssen. Es fällt schwer, zuzulassen, was da ist, weil die Angst, schwach zu wirken, tief sitzt. Doch das Unterdrücken von Emotionen führt letztlich dazu, dass wir immer weiter von uns selbst entfernt leben und echte, tiefe Verbindung kaum möglich ist. Gefühle zu zeigen ist kein Zeichen von Schwäche. Es ist ein Zeichen dafür, dass wir lebendig sind, dass wir lieben und dass wir bereit sind, uns auf das Leben wirklich einzulassen.
Der Weg, sich von diesen Glaubenssätzen zu befreien, ist nicht einfach. Es braucht Mut, sich einzugestehen, dass man vielleicht jahrelang nach einem Muster gelebt hat, das einem selbst nicht guttut. Aber genau darin liegt die Chance: zu erkennen, dass man die alten Vorstellungen loslassen kann, um mehr Freiheit in Beziehungen und in der eigenen Sexualität zu erleben. Es beginnt mit dem Bewusstsein, dass diese Glaubenssätze existieren, und mit der Entscheidung, sie Schritt für Schritt loszulassen.
In meinen Gruppen – ob in der Männergruppe, der Gruppe Raum für uns alle oder der Tantra-Abendgruppe – biete ich dir die Möglichkeit, an den tief sitzenden Glaubenssätzen zu arbeiten, die uns oft im Weg stehen. Wir schaffen gemeinsam einen Raum, in dem du alte Muster, die deine Beziehungen beeinflussen, hinter dir lassen kannst. Ob du als Mann deinen Wert unabhängig von Leistung erkennen möchtest, den gegenseitigen Spiegel in der gemischgeschlechtlichen Gruppe nutzen willst oder in der Tantra-Gruppe erlebst, wie Verbindung ohne Druck entsteht – hier kannst du dich auf eine achtsame, tiefgehende Reise begeben, um deine innere Freiheit zu entdecken.
Freiheit entsteht nicht, indem wir perfekt den Erwartungen entsprechen, die andere – oder wir selbst – an uns haben. Freiheit beginnt da, wo wir uns erlauben, echt zu sein. Echt in unseren Gefühlen, in unserer Sexualität, in unseren Beziehungen. Sie beginnt da, wo wir aufhören, nach vorgegebenen Mustern zu leben, und anfangen, unseren eigenen Weg zu finden.
Herzensgrüße
Stefan
Danke Stefan!
Liebe Marianne,
danke dir von Herzen für deine offenen Worte. Es berührt mich, dass du dich in meinem Artikel wiedergefunden hast, und ich spüre, wie viel Kraft und Verantwortung in deinem Alltag steckt – besonders als alleinerziehende Mutter. Diese immense Leistung, die du und so viele andere Frauen und Männer tagtäglich erbringen, verdient meinen tiefen Respekt.
Dennoch empfinde ich es für mich, als Mann, als anmaßend, über die spezifischen Glaubenssätze und Herausforderungen von Frauen zu schreiben, weil ich sie nicht aus erster Hand erfahren habe. Das Thema der inneren Verletzlichkeit und der Erwartung, immer stark zu sein, ist so kraftvoll und tief, und ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als könne ich aus einer Position heraus darüber sprechen, die ich selbst nicht wirklich lebe. Ich kann nur versuchen, den Raum zu halten und zuzuhören.
Was ich jedoch gerne tue, ist, Räume zu schaffen, in denen diese Themen angesprochen und gespürt werden dürfen – Orte, an denen du und andere Frauen die Möglichkeit haben, ohne diesen Druck, funktionieren zu müssen, einfach zu sein. Denn genau das, was du ansprichst – in der Sexualität und in Beziehungen nicht immer “machen” zu müssen, sondern auch in der Verletzlichkeit gesehen zu werden – ist so wertvoll. In meinen Gruppen, egal ob für Männer oder in gemischten Gruppen, versuche ich genau das zu ermöglichen.
Vielleicht könnte es ja auch hilfreich sein, wenn eine Frau aus ihrem eigenen Erleben über diese Themen schreibt und sie ihre Perspektive teilt. Ich bin überzeugt, dass das eine starke Stimme wäre, die andere Frauen ebenso berühren würde.
Fühl dich von mir gesehen und wertgeschätzt für alles, was du leistest – und für das, was du in deiner Verletzlichkeit zulassen darfst.
Liebe Grüße
Stefan
Hallo Stefan,
Dein Artikel hat mich echt berührt. Als alleinerziehende Mutter spüre ich den Druck, immer alles schaffen zu müssen – stark zu sein, für meine Kinder da zu sein und gleichzeitig noch Raum für mich selbst zu finden, was oft nicht geht. Oft erwarte ich von mir, dass ich all das perfekt meistere, aber was, wenn das gar nicht nötig ist? Ich wünsche mir von Dir so einen Artikel für uns Frauen, der uns daran erinnert, dass wir nicht alles alleine bewältigen müssen. Dass wir auch in unserer Verletzlichkeit gesehen werden dürfen, ohne ständig stark sein zu müssen. Besonders in meiner Sexualität und in Beziehungen brauchen ich das, einfach zu sein – ohne den Druck, immer zu funktionieren.
Liebe Grüße
Marianne