Absichtslosigkeit – ein Wort, das so leicht daherkommt, aber in seiner Tiefe eine echte Herausforderung sein kann. Wir sind es gewohnt, unsere Handlungen mit einem Ziel zu verknüpfen. Fast alles, was wir tun, scheint einen Zweck zu haben: Wir sprechen, um verstanden zu werden. Wir handeln, um etwas zu erreichen. Doch was geschieht, wenn wir all diese Absichten loslassen?
Absichtslosigkeit bedeutet für mich nicht, dass wir komplett ohne jegliche innere Bewegung oder Resonanz handeln. Es geht vielmehr darum, im Moment zu sein, in voller Präsenz, ohne ein konkretes Ziel zu verfolgen. Natürlich erleben wir Empfindungen dabei – vielleicht fühlen wir uns in einem bestimmten Augenblick besonders wohl, vielleicht spüren wir Nähe, Vertrauen oder eine Form von Verbindung. Aber das ist nicht dasselbe wie eine Absicht im Sinne eines „Ich tue das, um…“.
Es ist eine Hingabe an den Moment, ein Mitfließen mit dem, was gerade da ist, ohne es erzwingen oder in eine bestimmte Richtung lenken zu wollen. Gleichzeitig erfordert es auch eine fortlaufende innere Achtsamkeit: Wie fühlt sich das für mich an? Bin ich wirklich noch im Sein, ohne zu erwarten? Ist meine Aufmerksamkeit frei oder wünsche ich mir insgeheim eine bestimmte Reaktion? Dieses stetige Scannen der eigenen Gefühle und Reaktionen macht es so spannend und herausfordernd zugleich.
Manchmal fällt es schwer, absichtslos zu sein, weil wir so sehr daran gewöhnt sind, in Kategorien von Ursache und Wirkung zu denken. In unserer Gesellschaft wird uns oft vermittelt, dass unser Handeln einen klaren Nutzen haben sollte. Selbst in zwischenmenschlichen Begegnungen ist dies tief verankert. Wenn wir mit jemandem sprechen, möchten wir eine Antwort bekommen. Wenn wir jemandem helfen, möchten wir Dankbarkeit erfahren. Es scheint fast unnatürlich, einfach nur etwas zu tun, ohne dafür eine bestimmte Wirkung zu erwarten.
Doch gerade in der Absichtslosigkeit liegt eine große Freiheit. Wenn wir aufhören, in Ergebnissen zu denken, öffnen sich neue Räume. Wir sind nicht mehr damit beschäftigt, zu kalkulieren oder zu planen, sondern dürfen uns auf das einlassen, was tatsächlich ist. Das erfordert Mut, denn es bedeutet auch, Unsicherheit auszuhalten. Was passiert, wenn mein Gegenüber anders reagiert als ich es mir insgeheim wünsche? Was, wenn sich keine erwartete Resonanz einstellt? All das sind Fragen, die in der Absichtslosigkeit keine Bedeutung mehr haben. Denn wir tun nicht, um zu bekommen – wir tun einfach, weil es aus uns heraus geschieht.
In einer Welt, die oft von Erwartungen und Zielvorgaben geprägt ist, kann das wie ein Wagnis erscheinen. Doch wer sich darauf einlässt, wird spüren, dass wahre Begegnung oft dort entsteht, wo keine Bedingungen geknüpft sind. Wenn wir einander wirklich sehen, ohne Erwartungen, ohne versteckte Absichten, entsteht eine Tiefe, die sonst oft verborgen bleibt. Absichtslosigkeit ist also keine Gleichgültigkeit, sondern ein bewusster Zustand des Loslassens. Und vielleicht ist genau dieses Loslassen der Schlüssel zu einem ehrlicheren, tieferen Miteinander.
Herzensgrüße Stefan