Es gibt Wünsche, die begleiten uns ein ganzes Leben lang. Sie entstehen oft schon in jungen Jahren, setzen sich tief in uns fest und wachsen zu einem Teil unserer Identität heran. Mein Kinderwunsch war genau so ein Wunsch. Ich hatte ihn bereits losgelassen, Frieden damit geschlossen und geglaubt, dass dieses Kapitel abgeschlossen sei. Doch manchmal zeigt sich das Leben von einer unerwarteten Seite, und plötzlich stand dieser Wunsch wieder leise und schmerzhaft vor mir.
Dieser Moment traf mich völlig unverhofft, als ich bemerkte, dass der Wunsch nicht mehr als Ziel, sondern als etwas erneut erschien, das ich nochmals verabschieden sollte. Es fühlte sich an, als ob ich eine tiefe, innere Beziehung noch einmal beenden müsste. Als ob ich erneut einen Teil meiner selbst zurücklassen müsste.
Das erneute Loslassen ist nicht leichter als beim ersten Mal. Es tut weh, weil es bedeutet, erneut Abschied zu nehmen von einem Leben, das hätte sein können. Von all den Vorstellungen und Bildern, die ich früher bereits verabschiedet hatte, wie es sich anfühlen könnte, Vater zu sein. Von all den Momenten, die ich mir einst so sehr gewünscht hatte: gemeinsames Spielen, Lachen, Lernen und Heranwachsen. All diese Bilder und Gefühle, die ich dachte, bereits losgelassen zu haben, kamen nun wieder an die Oberfläche und wollten noch einmal gesehen werden. Doch wie verabschiedet man sich erneut von etwas, das niemals existiert hat und dennoch so lebendig war?
Zunächst versuchte ich, den Schmerz erneut zu umgehen, ihn wegzudrücken, doch ich merkte schnell, dass auch diesmal der Weg nur durch diesen Schmerz hindurch führt. So erlaubte ich mir, wieder zu trauern – nicht nur um diesen Wunsch, sondern auch um den Teil von mir, der daran hing und wieder sichtbar geworden war. Ich begriff, dass ich mir erneut erlauben durfte, traurig zu sein, enttäuscht und verletzt. Dass diese Gefühle ihre Berechtigung haben, auch wenn mein Leben heute an einem anderen Punkt steht.
Ich habe gelernt, dass das erneute Loslassen nicht bedeutet, diesen Wunsch vergessen zu müssen. Vielmehr bedeutet es, ihn noch einmal bewusst zu würdigen, zu ehren und ihn liebevoll gehen zu lassen. Ihm erneut einen Platz in meinem Herzen zu geben, ohne mich daran festzuklammern. Heute versuche ich erneut, Frieden damit zu schließen, dass das Leben andere Wege für mich bereithält, die ebenso wertvoll sind, auch wenn sie anders aussehen als einst geplant.
Vielleicht kennst du das auch – diese überraschende, schmerzvolle Begegnung mit einem alten Wunsch, der plötzlich noch einmal deutlich im Raum steht und dich auffordert, ihn erneut loszulassen. Es mag wehtun, doch darin liegt auch die Chance, noch bewusster Raum für Neues zu schaffen, für andere schöne Momente und Begegnungen, die darauf warten, entdeckt zu werden.
Denn letztlich heißt Loslassen nicht aufgeben. Es bedeutet, mutig weiterzugehen, offen zu bleiben und die Kraft zu finden, die eigenen Wünsche und Ziele in einer neuen, vielleicht unerwarteten Form zu leben und zu erleben.
Herzensgrüße Stefan