Liebe erblüht im Staunen einer Seele, die nichts erwartet,

und sie stirbt an der Enttäuschung des Ichs, das alles fordert

Gustave Flaubert

Liebe im Staunen – Eine Reflexion über Gustave Flauberts Zitat

“Liebe erblüht im Staunen einer Seele, die nichts erwartet, und sie stirbt an der Enttäuschung des Ichs, das alles fordert.” – Dieses Zitat von Gustave Flaubert hat mich auf eine besondere Weise berührt. Es fängt das Wesen der Liebe ein, die sich zwischen zwei Gegensätzen bewegt: dem Staunen und der Erwartung, der Hingabe und dem Egoismus. Es zeigt, wie fragil Liebe sein kann, wie sie erblüht und zugleich zerbricht, wenn das Gleichgewicht zwischen Hingabe und Forderung verloren geht.

Das Staunen – Der Anfang der Liebe

Wenn Flaubert vom “Staunen einer Seele” spricht, denke ich an die Momente, in denen wir den anderen ohne Vorbehalte sehen. Das sind die Phasen, in denen Liebe leicht und frei ist – wenn wir den anderen Menschen einfach nur bestaunen können, ohne etwas zurückzuerwarten. Diese Unbeschwertheit kennt jeder, der sich schon einmal verliebt hat. Es ist dieses Lächeln, die Art, wie der andere spricht, die kleinen Eigenheiten, die plötzlich bezaubernd wirken.

Flauberts Vorstellung von einer Seele, die nichts erwartet, beschreibt eine Liebe in ihrem reinsten, vielleicht sogar naivsten Zustand. Es ist dieser Augenblick, in dem wir uns bedingungslos öffnen. Liebe wird hier nicht berechnet oder durch Erwartungen geformt – sie geschieht einfach. Sie ist wie eine Blume, die in der Natur ohne Zutun erblüht.

In diesem Staunen entfaltet sich die Liebe. Ein Staunen über die Einzigartigkeit des anderen, über die Unvollkommenheiten und Eigenarten, die uns fesseln. Dieses Staunen öffnet die Tür zur Akzeptanz und tiefen Zuneigung und lässt die Liebe auf natürliche Weise gedeihen – frei von Erwartungen.

In dieser bedingungslosen Haltung liegt eine unglaubliche Kraft, denn ohne Erwartungen gibt es keine Enttäuschung. Stattdessen entsteht eine Harmonie, in der wir den anderen so sehen können, wie er wirklich ist, ohne das Bild zu verzerren durch unsere eigenen Wünsche oder Ängste.

Die Enttäuschung des Ichs – Wenn die Liebe erdrückt wird

Doch genauso wie die Liebe im Staunen erblüht, kann sie durch das Ich, das alles fordert, erdrückt werden. In jeder Beziehung kommen irgendwann Erwartungen auf. Wir wünschen uns Bestätigung, Zuneigung, vielleicht auch Sicherheit. Doch sobald diese Wünsche zu Forderungen werden, beginnt die Liebe zu leiden. Plötzlich sehen wir den anderen nicht mehr klar, sondern durch das Prisma unserer unerfüllten Bedürfnisse. Die Frustration wächst, während die Freude schwindet.

Flaubert beschreibt diesen Moment als das Sterben der Liebe. Es ist nicht die Liebe an sich, die erlischt, sondern das, was wir daraus machen, wenn wir sie mit Forderungen überfrachten. Wir erwarten, dass der andere uns in jedem Moment zeigt, wie sehr er uns liebt, und genau auf die Art und Weise, die wir uns vorstellen. Bleiben diese Erwartungen unerfüllt, wächst die Enttäuschung – sie geht tief und kann die Grundlage der Beziehung zerstören.

Die Balance zwischen Hingabe und dem eigenen Ich

Die Herausforderung, die Flaubert uns stellt, ist, diese Balance zu finden. Es geht nicht darum, unsere eigenen Bedürfnisse völlig zu ignorieren oder keine Erwartungen zu haben. Aber es geht darum, die Liebe nicht mit zu hohen Forderungen zu ersticken. Die wahre Kunst besteht darin, unser Ich zurückzunehmen, ohne uns selbst zu verlieren.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwierig es ist, das Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen zu finden. Es ist oft ein schmaler Grat. Doch ich glaube fest daran, dass die schönste Liebe diejenige ist, die aus dem Staunen heraus wächst und nicht aus Forderungen. Sie gibt dem anderen Raum, sich frei zu entfalten, und uns die Freiheit, einfach nur zu lieben – ohne ständig nach mehr zu streben.

Flauberts Worte erinnern mich daran, dass die Liebe in ihrer reinsten Form bedingungslos ist. Sie wächst in den Momenten, in denen wir den anderen sehen, ohne etwas von ihm zu erwarten. Wenn wir dieses Staunen bewahren, geben wir der Liebe die Chance, zu blühen, statt sie durch Enttäuschung und Forderungen zu erdrücken.

Wir können lernen, unser eigenes Ich und seine Bedürfnisse zu erkennen, ohne es über alles zu stellen. Denn letztlich ist es das Staunen – dieses ehrliche, bedingungslose Staunen – das die Liebe lebendig hält. Es schafft den Raum, den anderen so zu lieben, wie er ist, und nicht, wie wir ihn gerne hätten.

Für mich ist das eine Lektion, die ich immer wieder lernen darf. Es ist nicht immer leicht, das eigene Ich zurückzunehmen, vor allem nicht, wenn es nach Bestätigung verlangt. Doch jedes Mal, wenn ich es schaffe, loszulassen und einfach nur zu staunen, spüre ich, wie leicht und tief die Liebe sein kann.

Am Ende geht es darum, die Freiheit der Liebe zu bewahren. Denn nur in dieser Freiheit kann sie wirklich wachsen und überleben. Vielleicht ist das Staunen, das Flaubert beschreibt, genau das Geheimnis, das uns hilft, die wahre Essenz der Liebe zu entdecken – in uns selbst und im anderen.

Herzensgrüße,
Stefan

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